Interview zu Blockchain

Das Thema Blockchain stösst zurzeit auf grosses Interesse. Dies wurde auch am Anlass „Zürich meets Basel“ vom 15. Juni deutlich. Über 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten der Einladung der beiden Volkswirtschafsdirektionen Basel-Stadt und Zürich nach Basel. Themen, wie der technologische Wandel in der Finanzbranche und Blockchain, wurden im Rahmen von Fachvorträgen und am Podium aus wissenschaftlicher, regulatorischer und praktischer Seite her beleuchtet und diskutiert. Weitere Informationen zum Anlass finden Sie hier.

Im Interview erklärt Prof. Dr. Aleksander Berentsen, was hinter dem Hype um Blockchain und Kryptowährungen steckt und wo die Chancen für die Technologie liegen. Prof. Dr. Aleksander Berentsen ist Mitherausgeber des Buches Bitcoin, Blockchain und Kryptoassets (A. Berentsen, F. Schär 2017).

Herr Prof. Dr. Berentsen, die Blockchain ist in der Finanzindustrie derzeit in aller Munde. Kryptowährungen boomen. Woher kommt das grosse Interesse?

Prof. A. Berentsen: Ein grosser Teil kommt von der spektakulären Preisentwicklung von Bitcoin. Viele Akteure in der traditionellen Finanzindustrie sind neugierig geworden und versuchen das Phänomen Kryptowährungen zu verstehen. Es setzt sich zunehmend die Einsicht durch, dass hier etwas am Entstehen ist, das die Finanzindustrie grundlegend verändern kann. Ich höre immer wieder die Aussage: „ Es riecht wie zu Beginn der 90er Jahre, als das Internet in seinen Anfängen stand.“

Welche neuartigen Anwendungsmöglichkeiten wird die Blockchain in der Finanzwirtschaft und in anderen Wirtschaftsbereichen ermöglichen?

Prof. A. Berentsen: Die grundlegende Innovation der Blockchain ist die Möglichkeit der dezentralen Buchführung. Dadurch sind alle Bereiche tangiert, welche in irgendeiner Weise Buch führen. Der Finanzbereich ist speziell betroffen, weil Banken Buch führen über unser Geld, welches wir ihnen anvertrauen. Mit jedem Zahlungsauftrag kontaktieren wir eine zentrale Instanz (die Bank), welche die Zahlung auslöst und garantiert, dass das Guthaben vorhanden ist und an die richtige Person überwiesen wird. Diese zentrale Instanz braucht es nicht mehr, wenn sich Kryptowährungen durchsetzen. Es gibt aber auch viele andere Anwendungsmöglichkeiten, welche oft unter dem Begriff „smart contract“ abgehandelt werden. Selbstausführende Kontrakte sind Programme, welche auf der Blockchain „leben“ und selbständig Transaktionen ausführen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

Die breite Öffentlichkeit steht der neuartigen Technologie eher skeptisch gegenüber. Weshalb ist das so?

Prof. A. Berentsen: Jede fundamentale Innovation geht mit einer finanziellen Blase einher. Die Leute sind zum Glück skeptisch, wenn sich Preise innerhalb von kürzester Zeit verhundertfachen. Zudem tummeln sich in diesem Umfeld unglaublich viele Abzocker. Es gibt unterdessen weit mehr als 700 Kryptowährungen und es ist klar, dass der grösste Teil sang- und klanglos untergehen wird. Dies war zu Beginn des Internets in den 90er Jahren auch nicht anders.

Woher kommt die Innovation und was muss getan werden, damit mehr Anwendungen auf Blockchain-Basis umgesetzt werden?

Prof. A. Berentsen: Es gibt bereits sehr viele Anwendungen, doch der Einstieg ist für die meisten Menschen schwierig, da es nicht klar ist, auf welche Plattform sie setzen sollen. Zudem sind viele Anwendungen nicht intuitiv. Auch beim Internet fand der grosse Durchbruch erst statt, als benutzerfreundliche Anwendungen auf den Markt kamen (z.B. Netscape).

An der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel ist das „Center for Financing Innovation and Innovative Finance“ im Aufbau. Können Sie uns etwas über die Forschungs- und Lehrinhalte des Centers berichten?

Prof. A. Berentsen: Unser Ziel ist es, in der ökonomischen Forschung weltweit führend zu sein im Gebiet von Fintech und Kryptowährungen. Dafür brauchen wir Ressourcen, um qualifizierte Mitarbeiter anstellen zu können. Leider befindet sich die Universität Basel momentan auf Sparkurs. Dadurch besteht die Gefahr, dass wir den Anschluss an die Spitze verlieren und der Region Basel langfristig die Felle davon schwimmen. Wir versuchen daher mit allen Kräften private Sponsoren zu finden, welche Professuren und Doktoranden finanzieren. Ich hoffe, dass wir schon bald mit positiven Neuigkeiten an die Öffentlichkeit treten können. Fabian Schär und ich bieten bereits heute eine Vorlesung und ein Seminar zu Kryptowährungen an.

Die Schweizer Finanztechnologie-Branche ist in letzter Zeit beachtlich gewachsen. Wie kann die Förderung von innovativen jungen Unternehmen in der Schweiz punkto Finanzierung verbessert werden?

Prof. A. Berentsen: Die Schweiz beherbergt bereits heute viele Start-ups auf diesem Gebiet. So hat der Bundesrat entschieden, kleine innovative Finanzdienstleister weniger streng zu regulieren. Dadurch und aus anderen Gründen (z.B. Forschung, Rechtssicherheit, Steuern) haben sich erstaunlich viele Firmen und Stiftungen (z.B. die Ethereum Foundation) in der Schweiz niedergelassen. Im Moment ist die Finanzbeschaffung nicht das Problem, da sich viele Firmen über sogenannte ICOs (Initial Coin Offerings) Mittel beschaffen. Diese Form der Finanzierung hat traditionelle Finanzierungen über Venture Capital und IPOs bereits überflügelt.

Betrachten Sie den Markt für Venture Capital in der Schweiz als gross genug oder gehen viele innovative Geschäftsideen aufgrund der fehlenden Finanzierung verloren?

Prof. A. Berentsen: Ich denke, dass die Mittelbeschaffung im Moment kein Problem ist. Der Hype ist so gross, dass sich über ein ICO auch unausgegorene Ideen finanzieren lassen. Das kann sich ändern, wenn die Stimmung kehrt und niemand mehr etwas von diesen Ideen wissen will.

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