Voodoo-Economics auf Japanisch

Der Begriff Voodoo-Economics wurde in den 80er Jahren durch George H. W. Bush kreiert, dem 41. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Er attackierte mit diesem Slogan seinen Konkurrenten Ronald Reagan, weil dieser im republikanischen Vorwahlkampf Steuersenkungen versprach mit dem Argument, dass eine Senkung der Steuersätze zu einer Erhöhung der Steuereinnahmen führen würde. Nach seiner Wahl zum 40. US-Präsidenten hat Ronald Reagan tatsächlich die Steuern gesenkt; die Verschuldung des amerikanischen Staates stieg daraufhin spektakulär an.

In Fernost erleben wir derzeit Voodoo-Economics auf Japanisch. Japan setzt seit kurzem bedingungslos auf die Notenpresse, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das erklärte Ziel ist, die Zentralbankgeldmenge bis Ende 2014 zu verdoppeln. Um das frisch gepresste Geld in die Ökonomie einfliessen zu lassen, sollen pro Jahr am Markt für 570 – 670 Mrd. Franken Wertschriften und vor allem japanische Staatsobligationen gekauft werden.

In der kurzen Frist hat das Programm durchaus eine belebende Wirkung. Die primären Effekte der letzten Wochen sind ein schnell fallender Yen-Kurs, eine starke Erhöhung der Aktienkurse und rekordtiefe Renditen auf japanische Staatsobligationen. Doch was sind die langfristigen Nebenwirkungen?

Zuerst muss man sich eine medial kaum wahrgenommene Tatsache vor Augen führen: Japan weist die mit Abstand grösste Verschuldungsquote aller entwickelter Ökonomien auf. Sie beträgt zurzeit etwa 240 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Dagegen sehen die Verschuldungsquoten von Griechenland und den anderen europäischen Schuldensündern sehen geradezu harmlos aus. Da kommt es dem japanischen Staat natürlich gelegen, dass das frisch gepresste Geld in der kurzen Frist zu sehr günstigen Finanzierungbedingungen geführt hat. Im Moment kann sich Japan auf zehn Jahre zu lediglich 0.5 Prozent finanzieren. Doch trotz diesen rekordtiefen Zinsen muss Japan derzeit etwa 25 Prozent seines Budgets für Zinszahlungen aufwenden.

Letztendlich geht die japanische Zentralbank eine waghalsige Wette ein. Mit den radikalen Massnahmen versucht sie, die Wirtschaft anzukurbeln und kauft dabei der Regierung Zeit, um ihren Haushalt in Ordnung zu bringen. Die Hoffnung ist – wie bei den Reaganschen Steuersenkungen -, dass die angekurbelte Wirtschaft derart viele Steuereinnahmen generieren wird, dass der japanische Haushalt auch Zinssätze von 2 Prozent oder gar 4 Prozent verkraftet. Dies ist angesichts der Umstände nichts anderes als Russisches Roulette.

Die Wette wird Japan verlieren, weil sie die demographische Entwicklung und die Mathematik ignoriert. Die japanische Erwerbsbevölkerung ist seit Jahren am Sinken, derweil altert die Gesellschaft im schnellen Tempo. Dies zeigt sich auch in den Ausgaben für die soziale Wohlfahrt. Diese betrugen im Jahr 2000 19.7% des japanischen Haushalts und sind 2011 auf über 31% angestiegen. Die Politik hat es bis anhin nicht bewerkstelligt, die wirtschaftliche und soziale Infrastruktur angemessen auf den demographischen  Wandel anzupassen. Es ist auch völlig schleierhaft, weshalb die Notenpresse überhaupt reale Probleme lösen können sollte, welche beispielsweise durch einen demographischen Wandel ausgelöst werden. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und mit dem Rücken zur Wand scheint man besonders kreativ zu werden.

Der grösste Spielverderber ist aber die Mathematik. Wie erwähnt beträgt die japanische Verschuldungsquote zurzeit etwa 240 Prozent.  Die Ursachen für diese gigantische Verschuldung sind unter anderem die zahllosen wirkungslosen Konjunkturpakete, welche in der Vergangenheit geschnürt wurden, um die Wirtschaft anzukurbeln. Hier sehen wir, dass auch die Anhänger des Keynesianismus ihrem eigenen Voodoo frönen. Dieser nennt sich Multiplikator und vertritt die Idee, dass jeder vom Staat zusätzlich ausgegebene Franken die Wirtschaft derart stark angekurbelt, dass die zusätzlichen Steuereinnahmen die Ausgaben finanzieren können. Wir sehen, dass dieser linke Voodoo (Keynesianismus) und der rechte Voodoo (auch bekannt als „supply-side economics“) sehr ähnlich ticken.

Zurück zur Mathematik. Ein erklärtes neues Ziel der Japanischen Zentralbank ist die Erhöhung der Inflation auf zwei Prozent. Damit Investoren mit japanischen Obligationen keine realen Verluste erleiden, muss sich deshalb der Zinssatz auf mindestens zwei Prozent erhöhen. Nehmen wir vorsichtig an, der durchschnittliche Zinssatz auf Japanische Schuldtitel erhöhe sich wirklich nur auf 2 Prozent. Bei einer konstanten Schuldenquote von 250 Prozent müsste Japan bereits 5 Prozent des nominalen Bruttoinlandprodukts für Zinszahlungen aufwenden. Erhöht sich der Zins auf 4 Prozent, steigen die Zinszahlungen bereits auf 10 Prozent. Die japanische Zentralbank wird dadurch  verdammt, weiteres Geld zu drucken, um zusätzliche japanische Staatsanleihen zu kaufen und dadurch die Renditen dieser Papiere tief zu halten. Diesen Wettlauf wird sie verlieren.

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