Streit unter Ökonomen

Am EU-Gipfel von Ende Juni wurde der Beschluss für eine europäische Bankenunion gefasst. Dieser Entscheid hat eine heftige Kontroverse unter deutschsprachigen Ökonomen ausgelöst. In einem ersten Aufruf haben sich 172 deutschsprachige Wirtschaftsprofessoren gegen eine solche Union ausgesprochen. Nur wenige Zeit später, hat eine vergleichbare Anzahl Ökonomen einen Gegenaufruf unterschrieben, der sich für eine Bankenunion einsetzt.

Die Idee einer Bankenunion ist, dass eine Institution die europäischen Banken reguliert und überwacht. Diese Institution soll zudem mit der Kompetenz und mit genügend Finanzmitteln ausgestattet sein, um eine marode Bank entweder zu refinanzieren zu können oder zu schliessen. Unter Ökonomen ist unbestritten, dass ein gemeinsamer Währungsraum ohne eine europäische Bankenunion nicht gut funktionieren kann.

Für die Schweiz ist eine Bankenunion „courant normal“. Im Tandem haben die FINMA und die Nationalbank die Kompetenz, die Banken in der Schweiz zu regulieren und zu überwachen. Sie haben zudem die Mittel, um marode Banken zu refinanzieren und/oder zu schliessen. Von links bis rechts stellt dies kein Politiker in Frage. Wenn die UBS saniert oder geschlossen werden müsste, wäre nicht der Kanton Zürich verantwortlich, sondern der Bund mit seinen Institutionen.

Wie kann es also sein, dass sich 172 deutschsprachige Ökonomen gegen eine europäische Bankenunion sperren? Ich denke, diese Ökonomen (und ich bitte sie im Voraus um Entschuldigung, falls ich sie falsch interpretiere) haben einfach den Glauben verloren, dass die EU diesbezüglich funktionierende Institutionen schaffen kann. Betrachten wir als Beispiel das Schicksal des Maastrichter Vertrages. In diesem Vertrag wurde 1993 eine Schuldenobergrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) festgelegt und eine Neuverschuldung von maximal 3 Prozent des BIP zugelassen. Der Grund für die starren Regeln war damals die Einsicht, dass ein gemeinsamer Währungsraum nur funktionieren kann, wenn sich alle beteiligten Länder an gewisse Spielregeln halten. Es gibt weder eine theoretische noch eine empirische Rechtfertigung für die Obergrenze von genau 60 Prozent. Wichtig ist einzig und allein, dass gemeinsame Spielregeln festgelegt und auch durchgesetzt werden.

Der Umgang mit dem Maastrichter Vertrag zeigte allerdings, dass die Spielregeln eben nicht ernst genommen wurden. Bereits bei der Formierung der Währungsunion wurde auf die Durchsetzung der Schuldenobergrenze verzichtet. Wie sonst hätten Belgien und Italien in den Euroraum aufgenommen werden können? Zudem haben viele Länder nach ihrem Beitritt wiederholt die eine oder andere Obergrenze verletzt, ohne dass irgendwelche Konsequenzen folgten. Zahlreiche Länder haben ausserdem durch ihre „kreative Buchführung“ immer wieder den Geist der Verträge verletzt. Notorisch sind die wiederholten griechischen Betrügereien, die im Jahr 2008 aufgeflogen sind.

Maastricht war also ein Reinfall. Nehmen wir als weiteres Beispiel die Europäische Zentralbank (EZB). Ihre Satzung beinhaltet das strikte Verbot, sich an der Staatsfinanzierung einzelner Länder zu beteiligen. Seit dem Ausbruch der Euro-Krise kauft die EZB jedoch Staatsanleihen von Krisenländern en masse im Sekundärmarkt auf. Damit stellt sie diesen Staaten, entgegen ihrer Satzung, implizit Kredit zur Verfügung. In den Augen vieler hat die EZB durch diese Aufkäufe und andere Vertragsbrüche seit dem Ausbruch der Krise, ihre über Jahre gefestigte Reputation als politisch unabhängige Zentralbank verspielt.

Wenn die EU-Politiker aus dem Süden nun versprechen, dass es die Bankenunion nur mit harten Auflagen geben wird, sind das Lippenbekenntnisse. Es geht ihnen in erster Linie darum, ihre Haut zu retten. Die Krisenländer sind am Geld der Deutschen interessiert, und die Deutschen geben Stück um Stück nach, aus Furcht, dass sie am Ende mit dem Euro alleine dastehen.

Kein Wunder sehen die 172 deutschsprachigen Wirtschaftsprofessoren des ersten Aufrufs „den Schritt in die Bankenunion, die eine kollektive Haftung für die Schulden der Banken des Eurosystems bedeutet, mit großer Sorge.“ Zudem bezweifeln sie, dass es möglich sein wird, die Haftungssummen und den Missbrauch einer Bankenunion durch eine gemeinsame Bankenaufsicht zu verhindern, da die soliden Länder „immer wieder Pressionen ausgesetzt sein (werden), die Haftungssummen zu vergrößern oder die Voraussetzungen für den
Haftungsfall aufzuweichen.“

Für diese Aussagen müssen sich diese Professoren nicht entschuldigen. Wenn man die bisherigen Vertragsbrüche der EU-Politiker als Massstab nimmt, wird auch eine Bankenunion missbraucht werden, um ohne Legitimation Steuergelder vom Norden in den Süden zu transferieren. Trotz meiner pessimistischen Einstellung habe ich den zweiten Aufruf für eine Bankenunion mit unterschrieben. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich auch zuletzt.

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