Wettbewerb bei Rating-Agenturen

Die EU fordert die Zerschlagung der grossen US-Rating-Agenturen. «Europa darf sich nicht von drei US-Privatunternehmen kaputt machen lassen», verkündete kürzlich die Justizkommissarin Viviane Reding in der Tageszeitung «Die Welt». Entzürnt hat die EU-Politiker, dass die Rating-Agenturen sich angemasst haben, das doch so solvente Griechenland herabzustufen. Das Fass zum überlaufen aber brachte Anfang Juli Moody‘s Herabstufung der Kreditwürdigkeit Portugals auf Ramschniveau.

Viviane Redings Kritik ist deplatziert, denn die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Griechenland und auch einige andere europäische Länder werden ihre Schulden nicht vollständig zurück zahlen. Die Rating-Agenturen haben mit ihren Herabstufungen nur das Unabwendbare verkündet. Den einzigen Vorwurf, den man ihnen machen kann ist, dass sie wie so oft zuvor nicht rechtzeitig vor dem Debakel gewarnt haben.

Die wirklichen Probleme der Rating-Industrie, liegen an einem ganz anderen Ort. In der Tatsache zum Beispiel, dass die ganze Industrie durch drei Agenturen dominiert wird: Standard & Poor mit einem Marktanteil von etwa 40%, Moody’s mit einem Markanteil von 39% und Fitch die eine Marktanteil von 14% halten. Ebenfalls problematisch sind die beträchtlichen Interessenskonflikte in dieser Industrie.

Der fehlende Wettbewerb im Rating-Markt ist jedoch weitgehend hausgemacht und Folge einer verfehlten Regulierung. Angefangen hat diese Entwicklung in den USA in den dreissiger Jahren. Zu jener Zeit wurden die Banken dort stark reguliert. Um die Qualität der Bankenschulden bewerten zu können, wurde die Rating-Industrie in den Regulierungsprozess einbezogen. Die Bedeutung der Rating-Industrie hat sich im Laufe der Jahre zunehmend vergrössert. So gibt es in den USA mittlerweile eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen mit Ratingbezug. Den internationalen Durchbruch der Rating-Agenturen haben aber erst die neuen Eigenkapitalvorschriften gebracht, die im Jahr 1996 im Rahmen von «Basel II» in Kraft getreten sind. Sie brachten eine eigentliche Innovation, die darin bestand, das regulatorisch geforderte Eigenkapital von Kreditrisiken abhängig zu machen. Je besser das Rating eines Kredits ausfällt, desto weniger Eigenkapital muss hinterlegt werden. Die wichtige Rolle der Bewertung der Risiken fiel wiederum den Rating-Agenturen zu. Als die neuen «Basel II» Vorschriften weltweit umgesetzt wurden, verfestigten sich die Bedeutung der drei grossen Rating-Agenturen entsprechend. Der Gesetzgeber hat also äusserst effizient in die Hände der Rating-Agenturen gearbeitet.

Das effektive Oligopol, welches sich in der Rating-Industrie etabliert hat, ist damit natürlich noch nicht erklärt.  Diese Marktstruktur ist auf zwei andere Gründe zurückzuführen. Erstens wurden hohe Markteintrittsbarrieren errichtet, um die vermeintliche Qualität der Ratings zu verbessern. In den USA hat dies dazu geführt, dass sich nur die drei „Grossen“ durchsetzen konnten. Zweitens weist dieser Markt ohnehin eine Tendenz zu einem natürlichen Monopol auf. Welcher Manager möchte schon das Risiko auf sich nehmen, auf der Basis eines Ratings einer unbekannten Agentur Investitionen zu tätigen? Besser ist es mit der Masse mitzugehen. Dann ist man in guter Gesellschaft und frei von individuellen Schuldzuweisungen, falls etwas schief gehen sollte.

Der zweite berechtigte Kritikpunkt betrifft die Interessenkonflikte in der Rating-Industrie. Ursprünglich haben die Agenturen lediglich sogenannte Initiativratings erstellt. Sie verfassten ohne externen Auftrag  ein Rating und finanzierten sich über dessen Verkauf.  Dieses Geschäftsmodell hat sich unterdessen aber drastisch geändert. Heute wird der grösste Teil der Einnahmen über sogenannte Vertragsratings erzielt. Dabei wird das Rating vom Schuldner selber bezahlt. Ist er mit der Beurteilung nicht zufrieden, kann er drohen, die Agentur zu wechseln. Dies reduziert natürlich den Anreiz, schlechte Ratings zu verteilen. Umgekehrt können Ratingagenturen denjenigen Schuldner der ihnen Aufträge entzieht, mit schlechten Initiativratings abstrafen. Was hier wie Kindergarten klingt, wird in der Realität nur zu oft praktiziert.

Ein noch grösseres Problem ist darüber hinaus, dass die Rating-Agenturen zunehmend auch Beratungsdienstleistungen anbieten. Im Vorfeld der Finanzkrise war es nicht ungewöhnlich, dass eine Agentur für eine Bank ein neues Finanzprodukt entwickelte. Anschliessend wurde das Produkt sogleich – von derselben Agentur – mit einem Rating versehen.

In diesem Bereich ist eindeutig intelligentes politisches Handeln gefragt. Am wirksamsten wäre es, wenn man Rating-Agenturen jegliche Beratungstätigkeit untersagte. Dieser Vorschlag ist nicht einmal besonders revolutionär. In den USA wurde es nach mehreren Skandalen (z.B. Enron und Worldcom) durch den sogenannten Sarbanes-Oxley-Act von 2002 den Revisionsgesellschaften untersagt, zusätzlich Beratungsdienstleistungen anzubieten. Zudem wurden Regeln erlassen, die zu einer grösseren Unabhängigkeit und einer verschärften Haftung der Wirtschaftsprüfer führten.

Wie auch bei der Entstehung der Subprime-Krise hat sich die Politik im Rating-Markt über die Jahre nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Sie hat tatkräftig mitgeholfen, das Kartell der drei amerikanischen Rating-Agenturen überhaupt erst zu ermöglichen. Dieser Markt bedarf nun dringend mehr Wettbewerb. Dies lässt sich aber nur erreichen, wenn er weniger detailliert dafür effektiver reguliert wird. Um Interessenskonflikte zu reduzieren sollte man den gleichen Weg gehen, den man bei den Revisionsgesellschaften eingeschlagen hat und das Rating-Geschäft von der Beratungstätigkeit trennen.

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