Europas Wachstumspakt und andere Weihnachtswünsche

Falls Sie einen Haushalt führen, sind Sie mit der Arithmetik von Einnahmen und Ausgaben vertraut. So auch mit der Idee, dass über die Zeit Einnahmen und Ausgaben im Einklang sein müssen. Insbesondere wissen Sie, dass ein Defizit in ihrem Budget nicht ohne Schmerzen geschlossen werden kann: Entweder erhöhen Sie die Einnahmen, indem Sie mehr arbeiten oder Sie reduzieren die Ausgaben, indem Sie auf Dinge verzichten.

Dieses Einmaleins der Haushaltsführung trifft auch für den Europäischen Fiskalpakt zu. Der Fiskalpakt sieht strenge Regeln in Form von Obergrenzen für die Staatsschulden vor, einschließlich automatischer Sanktionen für Länder, welche diese Regeln brechen. Seit kurzem findet eine alternative Methode der Haushaltssanierung zunehmend Anhänger:  der  Europäische Wachstumspaket. Er sieht vor, dass sich Europa über mehr Wachstum entschuldet. Ein Anhänger dieser Idee ist François Hollande, der neue französische Staatspräsident.

Falls Sie – wie offenbar auch François Hollande – noch nie ein Budget verwaltet haben, lohnt es sich, das Einmaleins der Staatsfinanzen zu betrachten. Ein Staatsbudget unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von einem Haushaltsbudget. Ist ein Staat überschuldet, lösen sich dessen Schulden nicht von selbst auf. Es sei denn, er weigert sich, seine Schulden zu bezahlen, wie es jüngst Griechenland vorgemacht hat.

Wenn wir einen überschuldeten Staat sanieren aber von der Option Konkurs absehen möchten, bleiben nicht viele Möglichkeiten. Wir müssen entweder die Einnahmen erhöhen oder die Ausgaben senken. Für diese Einsichten muss man nicht 10 Jahre studiert haben. Dennoch habe ich den Eindruck, dass viele Politiker (aber auch viele Wählerinnen und Wähler) sie nicht wahrhaben wollen. Ich denke, der Grund dafür ist, dass diese Einsichten nicht angenehm sind und man sich die Realität nun mal gerne wegwünscht:

Die Ausgaben zu senken bedeutet entweder auf staatliche Dienstleistungen zu verzichten (z.B. Bildungsausgaben oder Ausgaben für Sicherheit), was in der Regel zu Entlassungen oder Lohnkürzungen führt. Oder aber die Ausgabensenkung wird durch eine Reduktion von Sozialleistungen und Subventionen finanziert. Auf der Einnahmeseite können Sie die Steuern erhöhen oder Geld drucken. Die Finanzierung von Staatsaugaben mittels der Notenpresse war historisch eine beliebte und gefährliche Methode, Staatsschulden zu reduzieren.

Es ist klar, dass all diese Massnahmen auf der Ausgaben- oder Einnahmeseite kurzfristig die Wachstumsrate eines Landes negativ beeinflussen. Ausgabenkürzungen können jedoch mittelfristig zu höherem Wachstum führen, wenn der Staatsapparat zuvor überdimensioniert und ineffizient war. All diese Massnahmen sind unangenehm und jeder Politiker möchte sie tunlichst umgehen. Hier bietet sich ein vermeintlich schmerzloser dritter Weg an: die Entledigung der Schulden über Wachstum, wie es der Europäische Wachstumspakt vorsieht.

Dieser Weg scheint attraktiv, weil er in der Theorie zu einer schmerzlosen Entschuldung führt. Wenn ein Staat eine höhere Wachstumsrate hat, wachsen die Steuereinnahmen automatisch mit dieser Rate mit, ohne dass die Steuersätze erhöht werden müssen. Wenn dann gleichzeitig die Wachstumsrate der Staatsausgaben gering gehalten wird, baut sich die Verschuldung relativ zur Wirtschaftsleistung kontinuierlich ab.

Was in der Theorie funktioniert, wird in Europa nicht gelingen, weil Hollande und ähnlich denkende Politiker versuchen werden, mehr Wachstum durch zusätzliche, schuldfinanzierte Staatsausgaben zu erzielen. Diese verstaubte Keynesianische Methode beruht auf der Idee, dass der Wachstumsimpuls eines vom Staat zusätzlich ausgegebenen Frankens derart stark ist, dass sich die Ausgaben über zukünftige Steuereinnahmen von selbst finanzieren. Falls diese Idee funktionierte, wäre Griechenland Wachstumsweltmeister und hätte ein ausgeglichenes Budget. Zudem müssen Sie jemanden finden, der Ihnen diese Story auch abkauft. Denn irgendwer muss Ihnen Geld leihen wollen, weil er fest daran glaubt, dass ihre zusätzlichen, schuldfinanzierten Staatsausgaben sich von selbst finanzieren und nicht in den Staatsbankrott führen. Hollande wird schon bald die schmerzvolle Erfahrung machen, dass seine Story vielleicht in seinen Kreisen geglaubt wird, nicht jedoch bei den Geldgebern.

Entschuldung durch Wachstum kann gelingen, wenn Europa seinen verkrusteten Arbeitsmarkt reformiert. Vor allem der ausgeprägte Kündigungsschutz müsste radikal abgebaut werden. In vielen europäischen Ländern, ist es praktisch unmöglich (weil extrem teuer), Angestellte zu entlassen. Für eine Unternehmerin macht ein exzessiver Kündigungsschutz die Arbeit teuer und stellt in schlechten Zeiten ein existenzbedrohliches Risiko dar. Sie wird versuchen, Arbeit durch Kapital (sprich Maschinen) zu ersetzen oder ihre Produktion ins Ausland zu verlagern. Zudem entwickelt sich ein gesellschaftliches Spannungsfeld durch einen dualen Arbeitsmarkt mit sogenannten Insidern und Outsidern. Die Insider sitzen auf einer faktisch unkündbaren Arbeitsstelle, wo sie wenig leisten müssen,  während die Outsider sich von Temporärstelle zu Temporärstelle hangeln oder arbeitslos sind. Dieser ausgeprägte Kündigungsschutz und andere fragwürdige Regulierungen sind im Wesentlichen dafür verantwortlich, dass die Sockelarbeitslosigkeit in Spanien extrem hoch ist und über 50% der Jugendlichen keine Stelle finden. Diesen Unsinn zu korrigieren brächte tatsächlich nachhaltiges Wachstum inklusive Entschuldung.

Leider beruht Hollandes Wachstumspakt auf unproduktiven schuldfinanzierten Staatsausgaben und nicht auf sinnvollen Reformen. Damit gehen Frankreich und weitere Europäische Länder einen weiteren Schritt in Richtung Staatsbankrott.

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