Basel III austricksen

Am 12.September 2010 haben die Präsidenten der Notenbanken und Aufsichtsbehörden von 27 Ländern in Basel neue Eigenkapitalvorschriften  für die Banken beschlossen («Basel III»). Die neuen Vorschriften erhöhen das Mindestkapital und verschärfen die Definition derjenigen Mittel, die als Eigenkapital angerechnet werden können. Diese Beschlüsse gehen in die richtige Richtung. Leider enthalten sie einen Konstruktionsfehler, der schon in der bisherigen Regulierung («Basel II») vorhanden war. Die Eigenkapitalvorschriften fordern, dass eine Bank genügend Eigenkapital im Verhältnis zu seinen risikogewichteten Aktiva hält.

Hinter der Risikogewichtung steckt die Idee, dass einige Vermögenswerte riskanter sind als andere und dass für risikoreichere Vermögenswerte mehr Eigenmittel unterlegt werden müssen. Auf den ersten Blick macht dies auch durchaus Sinn. Die jüngste Finanzkrise hat jedoch gezeigt, dass Vermögenswerte, die in der Vergangenheit als sicher galten, nicht zwingend in der Zukunft sicher bleiben müssen. Alle grösseren Banken haben vor der Finanzkrise spielend die jeweiligen risikogewichteten Eigenkapitalvorschriften eigehalten, so auch die UBS. In der Krise wurden aber viele vermeintlich sichere sogenannte „Trippel-AAA“-Wertschriften heruntergestuft und die Banken standen aufgrund des exzessiven Leverage, welches sie aufgebaut hatten, mit abgesägten Hosen da.

Ein weiteres gravierendes Problem bezüglich der Risikogewichtung ist, dass sie die Banken dazu einlädt, das System auszutricksen. Zum einen ist es den Banken selber überlassen, wie sie diese Risikogewichtung durchführen. Sie können dazu ihre eigenen Risikomodelle anwenden. Die Gefahr ist gross, dass dabei diejenigen Modelle zum Zug kommen, welche die Bedürfnissen der Bank – zB. nach Managerbonus – besser befriedigen als die Bedürfnisse des Steuerzahlers, der dann aber seinen Kopf hinhalten muss, wenn das Modell versagt.

Die Risikogewichtung setzt zudem einen Anreiz, Wertschriften zu konstruieren, welche vermeintlich sicher sind, jedoch fragil auf schlecht vorhersehbare Ereignisse reagieren. Ein wesentliches Betätigungsfeld der Banken und speziell der Investmentbanken im Vorfeld der Finanzkrise war die Fabrikation und der weltweite Verkauf von solch vermeintlich sicheren Anlagen an Europäische Banken. Die sogenannte Verbriefung bestand darin, aus einem Pool von minderwertigen Wertschriften eine Trippel-AAA Wertschrift herbeizuzaubern. Eine volkswirtschaftlich sinnlose regulatorische Arbitrage, welche die Risikoanfälligkeit des Finanzsystems sehr wirksam verschleiert hat. Letztendlich war das Spiel unter der alten Basel II Regulierung das Folgende: Wie kann ich als Bank mehr Risiko und damit mehr Ertrag generieren ohne das messbare Risiko, das heisst das Risiko welches mit Eigenmitteln unterlegt werden muss, zu erhöhen?

Leider kann unter den neuen Basel III Vorschriften dieses Spiel fröhlich weiter gespielt werden. Dabei gäbe es die Leverage-ratio, welche das Problem wirksam reduzieren könnte. Die Leverage–ratio fordert, dass eine Bank eine bestimmte Eigenkapitaldecke im Verhältnis zu allen Aktiven nicht unterschreiten darf. Die Absicht hierbei ist das Verbot einer Risikogewichtung. Der Vorteil dieser Regulierung besteht darin, dass sie einfach gemessen und durchgesetzt werden kann, weil sie im Gegensatz zu einer Risikogewichtung nicht interpretationsbedürftig ist.

Ich möchte hier betonen, dass eine Leverage-ratio komplementär zu den risikogewichteten Eigenmittelvorschriften eingeführt werden soll, welche Basel III vorsieht, denn eine Bank kann auf zwei Arten Risiko für den Steuerzahler generieren: Sie kann mit vermeintlich sicheren Anlagen ein zu grosses Leverage eingehen oder sie kann Wertschriften mit hohem Ausfallrisiko erwerben. Basel III ist nur eine Antwort auf das zweite Risiko.

Erfreulicherweise sind die Basel III Vorschläge nur Empfehlungen. Jedem Land steht es frei, strengere Vorschriften zu erlassen. Die Schweiz wäre deshalb gut beraten, neben Basel III seine bisherige Leverage-ratio zu erhöhen. Eine Leverage-ratio von10% wäre für die speziellen Gegebenheiten des Bankensektors in der Schweiz angemessen. Um die too-big-to-fail Problematik anzugehen sollte die Schweiz die Leverage-ratio zudem progressiv ausgestalten. Je grösser eine Bank, desto grösser wäre die Leverage-ratio.

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