Banker schlägt Bankräuber

Mein Sohn hat mir kürzlich mitgeteilt, dass er Bankräuber werden möchte. Als Vater und Ökonom fühle ich mich verpflichtet, diese Berufswahl auf Vorteile und Nachteile zu untersuchen. Zum Glück bin ich kürzlich über eine Studie gestolpert, welche die Profitabilität eines Bankraubs untersucht. Um es gleich vorneweg zu sagen: Die Rentabilität ist lausig.

In Grossbritannien ist der durchschnittliche Erlös eines Bankräubers pro Überfall nur 12‘706 Britische Pfund – also etwa 19‘325 Schweizer Franken. Im Vergleich dazu beträgt der durchschnittliche Jahreslohn etwa 26‘000 Pfund. Der Erlös eines erfolgreichen Raubzugs reicht also gerade mal aus, um rund 6 Monate lang auf durchschnittlichem Niveau zu leben. In den USA sieht es noch kärglicher aus. Dort beträgt der durchschnittliche Erlös eines Bankraubs mickrige 4‘330 Dollar.

Hier noch einige weitere Informationen bezüglich der Rentabilität eines durchschnittlichen Bankraubs: Der Gebrauch einer Schusswaffe erhöht den durchschnittlichen Erlös pro Überfall um 10‘300 Pfund und je grösser das Team, desto grösser ist der erwartete Ertrag. Jedes zusätzliche Team-Mitglied erhöht den durchschnittlichen Erlös pro Überfall um 9‘033 Pfund. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Überfall erfolgreich verläuft beträgt 66 Prozent und die Wahrscheinlichkeit erwischt zu werden 20 Prozent.

Diese Untersuchung zeigt, dass Bankräuber ein low-skill, low-pay Job ist. Was sich übrigens auch unter potentiellen Bankräubern herumgesprochen zu haben scheint, denn die Zahl der Banküberfälle in Grossbritannien und in den USA ist seit Jahren abnehmend. Ganz im Gegensatz zu der Anzahl Banker, die förmlich explodiert ist.

Für einen Ökonomen ist dies nicht allzu erstaunlich. Bankraub und Banking sind wirtschaftliche Tätigkeiten wie andere auch. In den letzten Jahrzenten wurde Bankraub jedoch zunehmend unattraktiv, während die Arbeit als Banker immer besser entlohnt wurde. Es ist daher nicht erstaunlich, dass sich junge Leute immer öfters für den Beruf des Bankers entscheiden und sich vom Bankraub abwenden.

Ein gutes Beispiel dafür ist Brady Dougan, Chief Executive Officer (CEO) der Credit Suisse. Für das Jahr 2009 erhielt er eine Gesammtentlohnung von 90,1 Millionen Franken und wurde damit zum bestbezahlten Bankmanager Europas. Seine Entlohnung setzte sich zusammen aus einem Bonus in Höhe von 71 Millionen Franken sowie einem Grundsalär von 1,3 Millionen Franken. Dazu kam ein weiterer Bonus von 17,9 Millionen Franken. Wieso Brady Dougan nicht auch noch einen dritten und vierten Bonus für das Jahr 2009 bekommen hatte, konnte ich meinem Sohn nicht erklären.

Das sind Zahlen mein Sohn! Brady Dougans Lohn im 2009 entspricht dem Ertrag von etwa 4505 Banküberfällen. Das sind etwa 12,34 Banküberfalle pro Tag oder ein Überfall alle zwei Stunden. Und das ohne Risiko! Ein Bankräuber muss damit rechnen, erwischt zu werden. Dann wird seine Beute konfisziert und er landet hinter schwedischen Gardinen. Ganz im Gegensatz dazu wird ein Banker für einen erfolgreichen Coup gefeiert. Je grösser seine Beute ist, desto grösser sind die Lobhudeleien.

Das besonders Attraktive am Banker-Beruf ist, dass man nicht einmal erfolgreich sein muss, um eine Bank und deren Aktionäre um solche Beträge zu erleichtern. Brady Dougan wurde im Mai 2007 CEO der Credit Suisse als Nachfolger von Oswald Grübel (ein weiterer erfolgloser Banker). Im Mai 2007 betrug der Aktienkurs der CS etwa 85 Franken und die entsprechende Börsenkapitalisierung etwa 75 Milliarden Franken. Heute, nach 5 Jahren mit Brady Dougan an der Spitze der Credit Suisse, liegt der Aktienkurs mit etwa 17 Franken nahe bei seinem Allzeittief, und die Börsenkapitalisierung beträgt etwa 24 Milliarden Franken.

Ein weiterer Vorteil dieses Berufs ist, dass man für das Plündern seiner Arbeitgeberin moralische und pseudo-wissenschaftliche Unterstützung bekommt. Die Bankiervereinigung, der Dachverband Economiesuisse, aber auch zahlreiche Ökonomen betonen immer wieder, dass solche Entschädigungen notwendig seien, da es einen internationalen Markt für Top-Banker gebe und man nur so die besten Talente anziehen könne. Für Bankräuber gibt es im Gegensatz dazu keine Lobby, welche einen solchen Schwachsinn verbreitet.

Nicht zuletzt ist der Beruf Banker bedeutend vielseitiger als der Beruf Bankräuber. Der Banker kann beispielsweise ungestraft den Liborzinssatz manipulieren. Die Busse, falls es dann eine gibt, bezahlt der Aktionär der Bank. Er kann auch straflos in letzter Sekunde wertlose Lehmann-Papiere an ahnungslose Kunden verschachern. Zudem kann er ohne eigenes Risiko gigantische Wetten auf den Finanzmärkten eingehen. Er ist auf alle Fälle durch den Steuerzahler gut versichert.

Zum Vorteil der Top-Banker werden die Bankiervereinigung und der Dachverband Economiesuisse mit allen Mitteln die Abzocker-Initiative von Thomas Minder bekämpfen. Diese fordert im Wesentlichen, dass die Aktionäre bei der Vergütung der Manager ein Wort mitzureden haben. Die Initianten bemängeln, dass die heutige Vergütungspraxis in vielen Firmen ein Selbstbedienungsladen sei und eine Stärkung der Aktionärsrechte diesen Missstand reduzieren könne. Sie fordern also, dass die Eigentümer einer Firma (die Aktionäre) das Sagen haben und nicht die Angestellten (das Management). Im Gegensatz dazu vertreten die Bankiervereinigung und der Dachverband Economiesuisse einen kruden Sozialismus mit umgekehrter Rollenverteilung.

Ich stimme der Meinung meines Sohnes zu, dass die Annahme der Abzocker-Initiative für ihn äusserst problematisch wäre. Erstens würde es seine Chancen, als zukünftiger Banker Banken zu plündern, reduzieren. Zweitens müsste er sich ständig mit lästigen Aktionären rumschlagen. Zudem besteht die Gefahr, dass unsere Pensionskassen als Eigentümer vieler dieser Unternehmen aus dem Tiefschlaf erwachen und nicht mehr anstandslos zusehen, wie das Top-Management Firmengewinne in die eigenen Taschen umlenkt.

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