Augiasstall Credit Suisse: Zeit zum ausmisten

Der August war ein wenig spektakulärer Monat. Keine Bankenrettungen, Länderrettungen oder sonstige Verwerfungen. Genügend Zeit also, um sich mit kleineren Unannehmlichkeiten zu beschäftigen. diesem Brief, den ich von der Pensionskasse Basel-Stadt bekommen habe. Darin steht, dass aufgrund der lang anhaltenden ungenügenden Entwicklung auf den Aktienmärkten das Vorsorgewerk der Universität Basel in eine Unterdeckung geraten sei und das Pensionskassengesetz für diesen Fall eine zwingende Sanierung vorschreibe.

Weiter erfahre ich, dass die Verantwortlichen der Pensionskasse die Situation sorgfältig analysiert hätten. Die zwingend notwendige Sanierung stütze sich auf drei Massnahmen ab: die Aktivversicherten müssen neu einen Beitrag von 10.1 Prozent leisten (zuvor 8.5%), die Rentenbezüger müssen temporär auf einen Teuerungsausgleich verzichten und die Arbeitgeberin (sprich, der Steuerzahler) leistet eine einmalige Zahlung von 82.5 Millionen Franken.

Ich bin immer wieder begeistert vom Pragmatismus, der in der schweizerischen Politik herrscht. Da entsteht ein Problem, dieses wird erkannt, eine Lösung wird erarbeitet und diese Lösung wird dann auch ohne grosse Grabenkämpfe implementiert. Der gleiche Lösungsansatz hätte beispielsweise in Frankreich zu wochenlangen Streiks und wilden Kundgebungen geführt. Und in den USA hätte die Konfrontation zwischen Tea-Party-Anhängern und Liberalen wohl jeden vernünftigen Kompromiss verhindert. Dort fallen denn auch zurzeit reihenweise US-Städte in den Konkurs, begraben durch unrealistische Vorsorgeverpflichtungen, welche sie in guten Zeiten eingegangen sind.

Diese schweizerische Vernünftigkeit macht mich immer wieder ein wenig stolz. Da bin ich auch gerne bereit, etwas mehr an die Pensionskasse abzuliefern. Auch wenn es wahrscheinlich nicht die letzte Sanierung sein wird. Die Vorsorgeversprechungen wie wir sie kennen sind in einer Zeit entstanden, als an den Finanzmärkten ohne grosses Risiko 4 bis 5 Prozent Rendite erzielt werden konnte. Wie sich jedoch gezeigt hat ist eine langfristige risikoarme Rendite von 1 bis 2 Prozent realistischer. Zudem führt auch die Überalterung dazu, dass Vorsorgeversprechungen angepasst werden müssen.

Damit könnte ich diesen Artikel abschliessen, wäre ich nicht noch über einen Artikel im Tages-Anzeiger gestolpert mit dem Titel: „CS nahm der Pensionskasse BVK Millionen ab“. Die BVK ist die Pensionskasse der Zürcher Kantonsangestellten. In dieser Story geht es um korrupte Pensionskassenverwalter und kriminelle Banker der Credit Suisse. Die Staatsanwaltschaft Zürich wirft den Beschuldigten Veruntreuung und ungetreue Geschäftsführung vor. Das betrügerische System bestand darin, dass die Credit Suisse der Pensionskasse bei Börsengeschäften falsche Kurse verrechnete.

Im Artikel wird folgendes Beispiel aufgeführt: Ende 2002 wollte die BVK für 4 Millionen Franken CS-Aktien verkaufen. Der Durchschnittskurs für diesen Verkauf lag bei 29.46 Franken. Die CS verrechnete der BVK jedoch nur einen Durchschnittskurs von 28.34 Franken. Zu Lasten der BVK verdiente sie damit auf einen Schlag über vier Millionen Franken. Das Beispiel ist stellvertretend für Dutzende ähnliche Betrügereien. Die Zürcher Staatsanwaltschaft beziffert für die Jahre 2000 bis 2003 einen ergaunerten Betrag von 11.5 Millionen Franken. Die Versicherten der BVK durften dieses Geld dann Jahre später mittels Sanierungsmassnahmen wieder einschiessen.

Was mich an dieser Sache ärgert ist, dass – wie so oft – nur gegen die Wasserträger ermittelt wird. Es wäre jedoch naiv zu glauben, dass die höheren Etagen nichts von diesen Geschäften gewusst hätten. Wenn eine Abteilung unerwartet viel Geld macht, wird aktiv nicht hingeschaut. Im Gegensatz dazu wird eine Abteilung, welche unterdurchschnittlich rentiert, schnell mal radikal restrukturiert. Die Anreize sich an die Gesetze zu halten sind in einem solchen System minimal. Das wäre vergleichbar mit einem System von Dopingkontrollen, in welchem nur diejenigen Athleten die schlecht abschneiden auf illegale Substanzen kontrolliert werden.

In jüngster Zeit haben sich die aufgedeckten Betrügereien im Finanzsektor derart gehäuft, dass man von eigentlichen Augiasställen sprechen kann. Gemäss der griechischen Mythologie wurden die Rinderställe des Augias über 30 Jahre lang nicht ausgemistet. Diese 30 Jahre entsprechen ungefähr auch dem Zeitraum seit Beginn der Liberalisierung der Finanzmärkte Anfang der 80er Jahre. Sogar stramme US-Republikaner haben mir anvertraut, dass sie fast kotzen mussten, als sie vom Liborskandal erfahren haben. Zur Erinnerung, im Liborskandal haben die weltweit wichtigsten Banken über Jahre den für die Lenkung der Weltwirtschaft zentralen Liborzinssatz zu ihren Gunsten manipuliert. Unsere Grossbanken waren selbstverständlich an vorderster Front dabei. Hier ging es um Milliarden, die sich schlussendlich in irgendwelchen Pensionskassen als Fehlbeträge bemerkbar machen.

Es stellt sich die Frage, wie professionell unsere Pensionskassen geführt werden. Die CS-Betrügereien haben sich über Jahre hin gezogen, ohne dass interne oder externe Kontrollen der CS oder der Zürcher Pensionskasse sie aufgedeckt hätten. Dies hinterlässt ein ungutes Gefühl. So stellt sich mir nun plötzlich die Frage, ob die eingangs erwähnte Unterdeckung der Pensionskasse der Universität tatsächlich wegen der schlechten Wirtschaftslage entstanden ist, oder weil sich ein paar Parasiten daran gesund gestossen haben. Meine innere Bereitschaft zur Sanierung beizutragen hängt natürlich von dieser Antwort ab – und mein Vertrauen in das Finanzsystem ist in einem Allzeittief.

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